Milzbrand, Anthrax, Pustula maligna

Erreger:
Bacillus anthracis,  grampositive sporenbildende Bakterien, die als Kampfstoff verwendet werden können. Die Sporen des Erregers sind äußerst resistent gegen Desinfektionsmittel und andere Chemikalien, Wärme und Kälte, Austrocknen und Strahlung. Anthraxsporen bleiben 30 bis 40 Jahre lang vital. Der Bazillus selbst ist obligat aerob, was bedeutet, dass er auf Sauerstoff angewiesen ist. Gen-manipulierte Anthraxsporen sind oftmals der natürlichen Umgebung gegenüber nicht so widerstandsfähig wie natürliche.

Vorkommen:
Milzbrand ist in der Natur eine Krankheit pflanzenfressender Tiere. Menschen und fleischfressende Tiere sind sogenannte Fehlwirte. In Deutschland trat der letzte Fall von Hautmilzbrand 1994 auf. In heißen Regionen mit schlechten Hygienebedingungen kommt Milzbrand noch des öfteren als Tierkrankheit von  pflanzenfressenden Huftieren vor.

Infektionswege: 
Es gibt drei verschiedene Wege, über die man sich mit dem Erreger infizieren kann. 
In 90% der Fälle handelt es sich um eine Erkrankung der Haut, welche aus deren direkten Kontakt mit dem Erreger resultiert. Über kleine Verletzungen dringt der Erreger dann in den Organismus ein. 
Eine weitere Möglichkeit zu erkranken ist sich über die Luft zu infizieren. Durch Inhalation des Erregers oder dessen Sporen kommt es zum sogenannten Lungenmilzbrand.
Außerdem führt der Verzehr von infizierten Speisen zu Darmmilzbrand.
Eine Ansteckungsgefahr durch den Kontakt mit kranken Menschen ist praktisch auszuschließen, jedoch können blutige Auswürfe von Erkrankten Krankheitserreger enthalten. Die Infektionsdosis liegt etwa bei 8000 bis 50000 Keimen pro Mensch. 
Die Inkubationszeit (Zeit zwischen Exposition des Betroffenen und dem Auftreten der Krankheitssymptome) beträgt 1 bis 7 Tage (manchmal bis zu 60 Tagen). 
Danach treten Husten mit Atembeschwerden, Fieber, Schwäche, Schweißausbrüche und Zyanose (bläuliche Färbung der Haut besonders im Gesicht) auf. Darauf folgt eine kurze Zeit der Besserung von ein paar Stunden bis hin zu 3 Tagen, welche auch Eklipse genannt wird. Kommt es nicht zu einer Wiedergenesung tritt der Tod in der Regel nach einer Zeit von 24 bis 36 Stunden nach dem Auftreten der ersten Symptome ein.

Hautmilzbrand:
Nach einer Infektion kommt es an der Stelle des Eindringens des Erregers zu einer sich rasch ausbreitenden pappelförmigen Entzündung. Umliegendes Gewebe schwillt unter Rötung an. Innerhalb von 2-6 Tagen bildet sich auf der Entzündung ein schwarzer Schorf, so dass es zu dem charakteristischen Milzbrandkarbunkel kommt. Dieses ist in der Regel schmerzfrei. Das vom bacillus anthracis freigesetzte Toxin führt zu Fieber, Schwäche, Benommenheit und wirkt sich negativ auf das Herz-Kreislaufsystem aus. Bei der tödlichen Verlaufsform des Hautmilzbrand weitet sich die Entzündung auf die Lymphbahnen aus, wodurch es zu einer Sepsis kommt. Bleibt eine Behandlung aus, so führt Hautmilzbrand bei 5-20% der Betroffenen zum Tod.
Hautmilzbrand spricht gut auf Penicillin an, und ist daher, sofern er nicht durch Genmanipulation resistent gemacht wurde, gut heilbar. Bei terroristischen Anschlägen ist jedoch nicht mit einem künstlich resistenten Bakterium zu rechnen, da das Manipulieren der Bakteriumsgene deutlich aufwendiger ist, als die Produktion von hochgiftigen chemischen Kampfstoffen.

Lungenmilzbrand:
Um Lungenmilzbrand hervorzurufen, müssen die Erreger inhaliert werden. Dies führt zu einer sich rapide, kontinuierlich und durchgehend verschlimmernden Lungeninfektion. Nach wenigen Tagen entartet sie zu einer schweren Lungenentzündung mit hohem Fieber, blutigem Husten, Schüttelfrost sowie unter Umständen zu Lungen- und Herzkreislaufversagen. Die Ausbreitung des Lungenmilzbrands ist radiologisch gut erkennbar. Im frühen Stadium lässt sich Lungenmilzbrand mit Penicillin behandeln. In fortgeschrittenen Stadien wird eine Behandlung mit Ciprofloxazin oder Doxycyclin empfohlen.
Um sich über die Atemluft zu infizieren, müssen Milzbrandbakterien oder deren Sporen eine bestimmte Größe besitzen, da sie sehr tief inhaliert werden müssen. Am wahrscheinlichsten ist die Infektion durch getrocknete Sporen.
5 - 18 Mikrometer große Sporen und Bakterien bleiben im allgemeinen im Rachenraum hängen, während 7-12 Mikrometer große Sporen bis in die Lungenröhre vordringen. 3-6 Mikrometer große Partikel können es bis zu den Bronchien schaffen, während nur 1-3 Mikrometer große Sporen in die Lungenbläschen gelangen können. Diese sind die gefährlichsten. Kleinere werden wieder ausgeatmet.
Lungenmilzbrand ist unbehandelt zu etwa 90 % tödlich.

Darmmilzbrand:
Gelangen Anthraxerreger über Speisen oder Getränke in den Magen-Darm-Trakt kommt es zu einem sehr raschen Krankheitsverlauf. Die Erkrankung ist ebenso wie der Lungenmilzbrand sehr ernst zu nehmen. Symptome sind starke Bauchschmerzen, Bauchfellentzündungen, blutiger Durchfall sowie meist Herzkreislaufversagen. Die Behandlung ist identisch mit der von Lungenmilzbrand.

Impfstoff:
Die USA entwickelte im Rahmen der Defensivforschung einen Impfstoff gegen Anthrax (Anthrax Vaccine Absorbed - kurz- AVA). Dieser ist zu etwa 90% wirksam. Der Impfstoff ist jedoch nur in geringen Mengen vorhanden, und ausschließlich für das Militär vorgesehen. Die Impfung muss des öfteren aufgefrischt werden. Eingesetzt wurde der Impfstoff bei US Soldaten während des Golfkrieges. In Deutschland ist momentan kein AVA gelagert.

Behandlung:
Je nach  Infektionsweg fällt die Behandlung unterschiedlich aus: Bei einem regional begrenzten Hautmilzbrand muss vorerst Ciprofloxacin eingenommen werden. Sobald nachgewiesen ist, dass der Erreger Penicillin-sensibel ist, wird mit diesem die Behandlung fortgeführt. Bei Lungen- oder Darmmilzbrand sowie bei einem sich rasch ausbreitenden Hautmilzbrand wird Ciprofloxacin oder bei nachgewiesener Sensibilität Penicillin oder Doxycyclin intravenös verabreicht.

Geschichte:
Die Bakterien wurden 1855 vom österreichischen Arzt Aloys Pollender (1800-1879) entdeckt. Zu dieser Zeit  war nicht bekannt, dass verschiedene Krankheitsbilder, die von den Infektionswegen abhängen, den gleichen Ursprung, nämlich den bacillus anthracis haben. Während des zweiten Weltkrieges testeten die Japaner (Einheit 731 geleitet von General Ischy) den Anthrax-Erreger auf seine Eigenschaften als Kampfstoff an chinesischen Kriegsgefangenen und Zivilisten, welche man dann unter Betäubung sezierte. Neben den Japanern befassten sich auch noch die Engländer im zweiten Weltkrieg mit Anthrax, welches sie auf der schottischen Insel Guida testeten. In geringerem Umfang experimentierten auch die Amerikaner schon im 2. Weltkrieg mit Anthrax . In der Sowjetunion beschäftigte man sich erst während des kalten Krieges mit dem Bazillus, nachdem man während des zweite Weltkriegs an der Pest Experimente durchführte. Trotz der Unterzeichnung des B-Waffenverbotes 1971 forschte man ungehindert weiter, und teste die neuen Kampfstoffe an Affen am Aralsee.
Der 1971 unterzeichnete Vertrag, welcher die Produktion, Weiterentwicklung, Lagerung und den anderweitigen Erwerb von B-Waffen verbot traten sowohl die UdSSR als auch die USA bei. Man wollte sicher gehen, dass man keinen strategischen Nachteil erlangt, wenn man die B-Waffenforschung nicht weiter ausbaut. Diese hatten sich nämlich als enorm aufwendig und unrentabel erwiesen, wenigstens aus der Sicht der USA. Der Vertrag stellte es jedoch den Unterzeichnern frei, für Gegenmaßnahmen und Impfstoffe weiterhin B-Waffen zu entwickeln.
Die Sowjetunion betrieb jedoch weiterhin auch ganz gezielte Offensivforschung. Hierbei ereignete sich am 30. März 1979 ein Unfall in Swerdlowsk. Milzbranderreger wurden aus einem Forschungslabor freigesetzt, und infizierten die Bevölkerung. Etwa 105 Menschen starben daran.
Der deutsche Name Milzbrand stammt von einer Schwarzfärbung der Milz, welche bei der Krankheit auftritt.

Wirkungsweise:
Der Bazillus sondert Giftstoffe (auch Exotoxine) ab, welche die Organwände zerstören, wodurch das Organ anschwillt und Blutungen auftreten.
Der bacillus anthracis ist außerdem in der Lage,  Makrophagen - welche ein wichtiger Teil unseres Immunsystems sind - mit Hilfe eines Toxins anzugreifen und zu vernichten. Dieses Toxin besteht aus drei Proteinen, von denen das sogenannte PA-Protein (Protective Antigen) an dem ATR-Rezeptor (Anthrax-Toxin-Rezeptor) der Zellwand andockt. Dessen natürliche Funktion ist noch unbekannt, jedoch weiß man, dass das PA-Protein nach dem Andocken das Eindringen der beiden verbleibenden Proteine LF und EF ermöglicht. Diese rufen im Zellinneren eine heftige Reaktion des befallenen Makrophagen hervor. Dieser platzt in Folge dessen auf und setzt neue Toxine in den Körper frei.
Die Proteine LF (Lethalfaktor) und Pa bilden einen lebensgefährlichen Giftstoff, da dieser die Makrophagen angreift, während Pa und EF (Ödemfaktor) einen Ödemgiftstoff bilden, welcher im Gewebe Flüssigkeit ansammelt. Das Eindringen des Giftstoffes in normale Zellen funktioniert fast genauso wie das Eindringen in die Makrophagen.
In der Zeit der scheinbaren Besserung, der Eklipse, befallen proliferierende Bakterien die Lymphknoten. Innerhalb von Stunden breiten sie sich über das ganze Lymphsystem aus.

Das Bakterium selbst lässt sich über die Lymphozyten -bekannter unter dem Namen "weiße Blutkörperchen" - durch den Organismus transportieren, indem es sich aufnehmen lässt. Im Gegensatz zu anderen Erregern wird der bacillus anthracis auf Grund einer Eiweißkapsel (Polypeptidkapsel)  dort nicht zersetzt, sondern vermehrt sich, bis die Wirtszelle aufplatzt, und ihn wieder in den Blutkreislauf entlässt. Ähnlich verwendet der Bazillus auch die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) als Wirtszellen. Anschließend sondert das Bakterium wie oben beschrieben seinen Giftstoff ab. Dieser greift die Blutgefäße unseres Körpers an, so dass rote Blutkörperchen entweichen. Besonders stark betroffen sind hierbei die Blutgefäße in der Lunge. Ödeme führen dazu, dass sich diese mit Wasser füllt, und so die Sauerstoffzufuhr verhindert wird. Folge hiervon ist die oben erklärte
Zyanose, welche innerhalb der nächsten 24 Stunden eintritt. 

Kampfstoff:
Eine Reihe von Staaten und Organisationen behaupten Antrax zu haben und es mittels Granaten oder Raketen als biologischen Kampfstoff einsetzen zu können, was theoretisch möglich wäre. 1988 wurde in Moskau geplant, SS-18 Raketen mit dem Erreger auszustatten. Anthrax als natürliche Krankheit ist jedoch als militärischer Kampfstoff gänzlich ungeeignet. Ein effektiver Kampfstoff ist 100% tötlich, greift ausschließlich den "Feind" an, ist leicht einzusetzen und möglichst schnell wirkend, um einen strategischen Vorteil zu erlangen. 
Anthrax ist leicht mit Penicillin zu bekämpfen und seine am häufigsten auftretende Form, der Hautmilzbrand ist selbst unbehandelt nur in 5-20% tödlich.
So muss der Erreger, um militärisch nutzbar zu werden, genetisch manipuliert werden. Das setzt eine Dekodierung der Gene voraus. Der genmanipulierte Erreger weist jedoch in aller Regel andere Schwächen bezüglich der natürlichen Resistenz auf.
Eine in den UdSSR produzierte Variante von Anthrax, das sogenannte "Anthrax 836" ist die bisher kampfstofftauglichste Variante von Anthrax.

Terrorwaffe:
Terroristische Waffen haben andere Maßstäbe als das Militär. Da von ihnen ein gewisser Angstfaktor ausgehen muss, ist hier das zu den Massenvernichtungswaffen zählende Anthrax besser geeignet als für militärische Zwecke. Terroristen haben wahrscheinlich nicht die Möglichkeit, Anthrax genetisch zu verändern, selbst wenn sie Unterstützung durch ehemalige sowjetische Biowaffenforscher erhalten würden.
Die nach dem 11. September in den USA aufgetretenen Fälle von Anthrax wurden von Erregern des Ames-Stammes ausgelöst, welcher von den USA in den
60er Jahren entwickelt wurde. Der Stamm wurde chemisch bearbeitet, damit er seine elektrostatischen Eigenschaften verliert. Diese führten bisher dazu, dass Sporen aneinander haften blieben, so ein größeres Gewicht und Volumen besaßen, und nicht inhaliert wurden. Der Ames-Stamm weist so ein erhöhtes Risiko auf, über den Atemtrakt inkorporiert zu werden.

Schutzmaßnahmen:
Da Hautmilzbrand gut behandelt werden kann, ist ein Ganzkörper-Schutzanzug nicht notwendig. Um sich gegen eine Infektion über Nahrungsmittel zu schützen, empfiehlt es sich, auf Speisen aus Konservendosen zurück zu greifen und Nahrungsmittel gut abzukochen (Schnellkochtopf ist optimal). 
Leitungswasser ist in aller Regel nicht gefährlich, da im Fall einer Verseuchung dieses gut verteilt wird. 
Die profilaktische Einnahme von Antibiotika ist nur in konkreten Verdachtsfällen sinnvoll, da man ansonsten eine Resistenz von Anthrax gegenüber Medikamenten forciert. Antibiotika sind nach wie vor rezeptpflichtige Medikamente.
Der Schutz der Atemwege durch Gasmasken mit P-3 Filter ist zwar allgemein sehr sicher, jedoch nicht zwingend notwendig. Die Problematik besteht darin, dass die Erreger absolut geruchlos sind, und so zum Zeitpunkt eines Angriffes keine Indizien vorliegen, welche hierauf hindeuten. 
So ist die wirksamste Schutzmaßnahe für die Zivilbevölkerung ein überlegtes und ruhiges Handeln.
Besteht Verdacht auf einen Angriff, so ist das betroffene Gebiet (Türen/ Fenster) unverzüglich abzuschließen, zu verlassen und abzuriegeln. Verdächtige Objekte sind z.B: mit einem geleerten, umgedrehtem Mülleimer abzudecken. Jeglicher Kontakt mit dem Objekt ist zu vermeiden. Je normaler hierbei die Atmung bleibt, um so geringer ist die Gefahr, die Sporen zu inhalieren (langsames, ruhiges eventuell etwas flaches Einatmen, langes und vollständiges Ausatmen). Aufstäuben durch Windzug, Ventilatoren, Klimaanlagen, Kaminabzug oder hastiges Atmen ist tunlichst zu vermeiden. Eine potentiell gefährliche Substanz ist ausschließlich von Einsatzkräften zu untersuchen. Diese sind bei einem Verdacht auf eine gefährliche Substanz unter den bekannten Notrufnummern unverzüglich zu benachrichtigen. Zusätzlich empfiehlt sich nach dem Kontakt mit einer gefährlichen Substanz ein sorgfältiges, intensives aber vorsichtiges Waschen. Hautflächen können anschließend mit einer 0,2% Peressigsäure bei einer Einwirkungszeit von 2x1 min. dekontaminiert werden. Dem Umständen entsprechend ist es eventuell notwendig, sich von den Einsatzkräften dekontaminieren zu lassen. Eine Erfassung sämtlicher Personen, welche sich im betroffenen Gebiet zur Zeit der Gefährdung aufhielten, ist notwendig.


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